Lebensschule Sport

Besonders in jungen Jahren kann Sport die Entwicklung der Persönlichkeit stark fördern. Er lehrt ...
… die Fähigkeit zur Konzentration
… Misserfolge zu verarbeiten
… Konsequenz und Zielorientierung
… soziales Verhalten, Teamfähigkeit, besonders Mannschaftssport
… Regeln und Gegner zu akzeptieren
… Leidenschaft
… gerade ausreichend sympathisch zu sein
… seine Stärken und Schwächen zu kennen, Selbstkritik
… innovativ zu sein
Etc..

Sport wird oft als Lebensschule bezeichnet, vor allem von ehemaligen Profisportlern. Ich darf aber zwei Beispiele von Persönlichkeiten anführen, die nicht für Ihre sportlichen Leistungen bekannt sind: Literaturnobelpreisträger Albert Camus meinte, alles, was er am sichersten über Moral und menschliche Verpflichtungen wisse, dem Fußball zu verdanken: „Ich begriff sofort, dass der Ball nie so auf einen zukommt, wie man es erwartet. Das war eine Lektion fürs Leben, zumal für das Leben in der Stadt, wo die Leute nicht ehrlich und geradeheraus  sind.“[1] Urs Schaeppi, ehemaliger CEO der Swisscom, bezeichnete den Sport als extrem wichtige Lebensschule, da man frühzeitig lerne, mit Niederlagen umzugehen. Man müsse sich selbst motivieren und selbstständiger werden. In der Personalrekrutierung mache er immer wieder die Erfahrung, dass ein guter Sportler mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Beruf erfolgreich sei.[2]

Eine Schule muss ein Ziel haben. Die Frage ist also, wie man sein Leben verbringen möchte und was man dazu lernen muss. Das Endziel ist wahrscheinlich für alle Menschen glücklich zu sein, doch die Wege, die eingeschlagen werden, dorthin zu finden, sind unterschiedlich. Manche suchen vor allem den Erfolg, andere möchten ihre soziale Einstellung ausleben und interessieren sich mehr für das Zusammenleben mit Mitmenschen, wieder andere möchten als Mensch reifen, Ihre Persönlichkeit entwickeln. Auch Scheitern, und zu lernen, damit umzugehen, gehört zur Glücksfindung, sagt die Glücksforscherin Sonia Laszlo:[3] Glück hänge mit tun zusammen, etwas weiter bewegen, und Glück brauche reale Freundschaften. Bei all diesen Aspekten des Lebens kann der Sport helfen, wichtige Erfahrungen zu machen. Sport ist aktiv, es geht darum etwas zu bewegen. Sport knüpft reale Freundschaften, die meist ein ganzes Leben lang halten.

Erfolg

Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Inc.com listete in einem Artikel 5 Eigenschaften auf, die die erfolgreichsten Unternehmer gemeinsam haben würden[4]: Leidenschaft, die Fähigkeit Misserfolg zu verarbeiten, gerade ausreichend sympathisch zu sein, seine Stärken und Schwächen zu kennen, Innovatoren sein. Ich glaube, dass ein erfolgreicher Leistungssportler diese 5 Eigenschaften genauso haben muss, und sie über den Sport lernt:

Leidenschaft:

Ergebnisse der Talentforschung sagen, dass Erfolg  das Ergebnis von harter Arbeit ist, Talent mache nur einen geringen Anteil am Erfolg aus. Nach der Theorie des „Aktiven Lernens“[5] und der 10.000-Stunden-Regel  sind durchschnittlich 10 Jahre intensives Üben notwendig[6], um etwas sehr gut zu können. Das benötigt viel Leidenschaft. Zumeist geht bei einem Sportler eine Initialzündung voraus, die in ihm diese Leidenschaft entfacht.[7] Ein guter Trainer kann sie auslösen, ein besonderes Erlebnis, ein Ziel. Durch die Leidenschaft lernt ein Sportler hart zu arbeiten, an seine Grenzen zu gehen. Eine Fähigkeit, die dann in anderen Lebensbereichen hilfreich ist.

Das Verarbeiten von Misserfolgen und die Rückkehr zum Erfolg:

Erfolg und Niederlage liegen im Sport sehr eng beisammen. In der Schule reicht es aus, durchzukommen, im Sport möchte man aber Erster werden, vielleicht noch Zweiter oder Dritter. So lernt man, sich mit Niederlagen auseinander zu setzen. Man lernt, Ziele richtig zu setzen, und Erfolg zu planen. Manchmal ist es vor allem der Kampf gegen sich selbst, wenn es darum geht,  objektiv messbare, oder vom Gegner nicht beeinflussbare Leistungen, zu erbringen. Eine persönliche Bestleistung kann z.B. in der Leichtathletik über die Niederlage gegen einen noch besseren Gegner hinwegtrösten. In Spielsportarten sind die Einflussfaktoren vielfältiger: Man bereitet sich intensiv auf einen Wettkampf vor, der jedoch eine andere Entwicklung nehmen kann, als geplant war. Oft liefern sich 2 Gegner ein Match auf Augenhöhe, aber nach dem Schlusspfiff bleibt es der einen Seite nur übrig die Niederlage zu akzeptieren, zu analysieren und die richtigen Handlungsansätze abzuleiten. Da solche Wettkämpfe auch viel geistige Energie kosten, fühlt sich der Sportler nach der Niederlage sehr ausgelaugt und erschöpft. Er muss auch geistig regenerieren, bevor er wieder voll trainieren und ein neues Ziel anvisieren kann. Zu den Comebacks  gehören auch solche nach Verletzungen. Jemand hat sich lange auf ein Ziel vorbereitet, um unerwartet für mehrere Monate aus dem Rennen geworfen zu werden. Es folgen viele einsame Stunden der Rehabilitation und des Körperaufbaus. Dabei hat der Sportler ein Ziel vor Augen, welches ihm die Kraft gibt, in dieser Phase hart an sich zu arbeiten.

Gerade genug sympathisch zu sein:

Um zu gewinnen, kann man nicht immer darauf aus sein,  alle Sympathien zu erhalten. Manchmal ist es notwendig, sich an der Grenze eines Reglements zu bewegen, oder eine eigene Aggressivität zu entwickeln um seine Bestleistungen zu erbringen. Diese Aggressivität soll sich zwar nicht gegen den Gegner richten, sondern z. B. gegen den Ball, aber es geht darum den Zweck und das Ziel vor die Wirkung nach außen zu stellen.  Es gibt Sportler, denen das schwer fällt, weil Ihre Motivation primär ist, „dazu zu gehören“. Aber manchmal ist es notwendig Handlungen zu setzen, die keine Punkte in der Sympathiewertung bringen, dafür aber zum Erfolg führen.

Seine Stärken und Schwächen kennen:

„Der Realität ins Auge blicken, ohne den Mut zu verlieren“, war eine der Gemeinsamkeiten überdurchschnittlich erfolgreicher Unternehmen, die der amerikanische Autor Jim Collins in seinem Buch „Der Weg zu den Besten“  beschreibt.[8]  Entscheidungen müssen auf Daten und Fakten beruhen steht auch ebendort. Im Sport ist das genauso: Alle Leistungen werden immer messbarer.  Eine Stoppuhr ist ohnedies schwer zu betrügen, aber auch in Spielsportarten werden Erfolgsquoten jedes Ballkontaktes dokumentiert und im Detail analysiert. Eigene Fertigkeiten werden mit jenen der Gegner genau verglichen. Basierend auf den ermittelten Stärken und Schwächen werden Trainingspläne und Taktiken entwickelt. Ohne eine umfassende Auseinandersetzung mit den Fakten, findet keine geplante Weiterentwicklung statt. Kritikfähigkeit ist eine Voraussetzung für den Erfolg.

Innovatoren sein:

Der Schweizer Beachvolleyball Olympiamedaillengewinner  Stefan Kobel sagt, „ein Champion fragt sich nicht, ob er das Problem lösen kann, sondern wie er es lösen kann!“[9]  Probleme können sehr vielfältig sein: Unzureichende Trainingsmöglichkeiten, zu wenig Budget, langjährig automatisierte technische Schwächen, mentale Hürden, oder auch taktische Herausforderungen. In all den angesprochenen Bereichen gibt es viele Möglichkeiten neue Wege zu gehen, nach Innovationen zu suchen, um die eigenen Grenzen zu überwinden oder Rahmenbedingungen zu verbessern. Es gibt viele Beispiele von Davids, die sich gegen Goliaths durchgesetzt haben, indem sie eine kleine Chance genützt haben, ein neues taktisches Konzept entwickelt haben.[10] Ein guter Trainer beschäftigt sich permanent mit vielen kleinen Dingen auf der Suche nach einem winzigen Vorteil. Erfolgreiche Sportler oder Trainer versuchen Ihre Trainingsgeheimnisse zumeist für sich zu behalten, um daraus kurzfristig einen Vorteil zu ziehen. Wenn sich ein solcher Vorteil aber ausgewirkt hat, dann wird er mit Sicherheit kopiert bis der nächste Innovator einen neuen Weg entdeckt, um irgendwo einen kleinen Schritt zu machen. Vor lauter Kopieren wird dabei oft übersehen, dass nicht alles, was für einen Sportler gut ist, auch für einen anderen gut sein muss. Aber da es oft nur einzelne Beispiele und keine umfangreichen Studien wie z.B. in der Medizin gibt, wird vieles ausprobiert, in der Hoffnung auf Weiterentwicklung. Stillstand bedeutet im Leistungssport Niederlage.

Persönlichkeitsentwicklung und Aspekte des Zusammenlebens

Der internationale Fußballverband FIFA meint, dass die Kraft des Sports darin besteht, essenzielle Werte wie Respekt, Toleranz, Disziplin und Fairplay zu verbreiten und investiert Geld in eine entsprechende Werbekampagne. Sportarten wie Fußball  sind sicher in der Lage solche Werte zu veranschaulichen. Die Selbstdisziplin mit der ein Sportler an seinem Ziel arbeitet ist ohnedies ein Grundthema des Sports. Respekt vor dem Gegner ist eine Voraussetzung für Erfolg. Respekt vor den Mannschaftskameraden eine Voraussetzung für das Zusammenleben im Team. Da der gemeinsame Sport eint, treffen in einer Mannschaft  Menschen unterschiedlichster Herkunft und Weltanschauung aufeinander. Aus sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten muss ein Team geformt werden, welches unter Druck funktioniert. Das erfordert Toleranz und Disziplin. Man lernt das Zusammenlaben in einem Team. Die Definition eines Teams ist, dass das Gesamte mehr als die Summe der Einzelnen ist. Ich kenne den Ausspruch ein Team braucht „Heroes and Supporters“  aus dem Mund eines erfolgreichen Volleyballtrainers.  Gemeint ist damit, dass jeder seine Aufgabe hat, die zu erfüllen ist, sei es auf dem Spielfeld, als auch abseits davon im Zusammenleben mit den anderen. Die Aufgabe des einen mag es sein, als Star der Mannschaft die Tore zu schießen, oder als erstes bei der Tour de France das Ziel zu erreichen, aber dies wird nur gelingen, wenn auch der Pass kommt oder jemand die Führungsarbeit außerhalb des Windschattens leistet. Im Zusammenleben  ist es notwendig gemeinsame Regeln zu befolgen, und das Interesse der Mannschaft über das eigene zu stellen. Ich behaupte, dass jeder der in einer Mannschaft gespielt hat, viel über das Funktionieren von Teams gelernt hat, und mehr schwierige Situationen meistern musste, als teure Team Building Seminare vermitteln können.

Im Beach Volleyball ist die Situation etwas anders und sehr speziell: Man ist auf einen Partner komplett angewiesen und von diesem abhängig. Man kann diesen während eines Spiels nicht wechseln, auch nicht während eines Turnieres, und auf höchstem Niveau nur sehr schwierig während einer Saison. Die Entscheidung für einen Partner ist also eine sehr wichtige, langfristige, und berücksichtigt zumeist nicht nur reine sportliche Argumente, sondern auch persönliche Aspekte. Man lebt mit diesem Partner intensiver zusammen als mit einem Ehepartner, teilt zumeist das Zimmer bei Wettkämpfen, soll unter Druck sein maximales Leistungsniveau ausschöpfen und seine Grenzen überschreiten. Viele Spieler verzweifeln innerlich, wenn der Partner mehrmals hintereinander nicht das tut, was man sich von diesem erwartet hat, wenn dieser sich über eine Saison nicht so entwickelt wie erhofft. Wenn ein Spieler im Team glaubt besser zu sein als sein Partner, und glaubt mit einem anderen Partner mehr erreichen zu können, dann entsteht ein zerstörerisches Ungleichgewicht. Die Kunst ist es in solchen schwierigen Situationen negative Gedanken auszublenden und trotzdem seine eigene Leistung zu bringen. Manche Spieler leiden unter einer schwachen Leistung des Partners, weil sie sich in einer sportlichen Hierarchie selbst herabgestuft fühlen. Ein Spieler ist nur so erfolgreich, und damit angesehen, wie das Team. Oft führt das dazu, dass Spieler Ihren Partnern Dinge zu erklären versuchen, die diese ohnedies nicht umsetzen können. Ein Spieler hilft seinem Partner auf dem Spielfeld nicht mit verbalen Hilfestellungen und Rat, sondern mit einem perfekten Zuspiel, mit dem Verwerten von auch schlechten Pässen und indem er selbst mehr Punkte macht. Das ist aber nicht einfach und erfordert geistige Ausgeglichenheit, Selbstbewusstsein und Stärke.

Die Abhängigkeit vom Partner und Team geht natürlich über das rein sportliche hinaus. Es Bedarf derselben Grundeinstellung, derselben Ziele, derselben Jahresplanung, und beiderseitiger Gesundheit. Auf dem Spielfeld kommt auch die Übereinstimmung in der gewählten Taktik dazu. Derartiges kann zwar vor einem Match diskutiert werden, in der Situation fehlt aber die Zeit und so trifft meistens ein Spieler die Entscheidung über den nächsten gemeinsamen Spielzug. Bei einem solchen Zwei-Personen-Team ist aus oben beschriebenen Gründen ein ausgleichender Betreuer sehr wichtig. Er überlässt die Spieler nicht Ihrer subjektiven Meinung ob eine Leistung gut oder schlecht war, begründet Misserfolg und trifft Entscheidungen über Korrekturen und nächste Schritte. Er hat die Aufgabe die Rollen im Team nach den Fähigkeiten festzulegen, die Spieler zu einen.

Zusammenfassung

Aus all diesen Gründen ist Sport für mich eine sehr geeignete Lebensschule. Junge Menschen können durch diese „Ausbildung“ gehen, und sich auf andere Lebensbereiche vorbereiten. Sie nehmen viele Dinge mit, die Ihnen helfen, in Beruf, Partnerschafft und dem Leben insgesamt, erfolgreich zu sein.


[1] Siehe http://philo.at/pipermail/philweb/2009-March/003480.html

[2] Siehe http://dominiquegisin.ch/uploads/Sport-ist-meine-Lebensschule.pdf

[3] Glücksforscherin Sonia Laszlo in „Frühstück bei mir“, Ö3, 5. April 2015.

[4] http://www.inc.com/john-boitnott/the-most-successful-entrepreneurs-have-these-5-traits-in-common.html

[5] Daniel Coyle: Die Talentlüge, Mohrbooks AG, Zürich 2009, S. 84 ff.

[6] Malcolm Gladwell: Überflieger, Piper Verlag, München 2010, S. 38f.

[7] Matthew Syed : Bounce: Mozart, Federer, Picasso, Beckham, and the Science of Success, HarperCollins Publishers 2010, Kapitel 4.

[8] Jim Collins, Good to Great. HarperCollins Publishers Inc., New York 2001, S. 65 ff.

[9] Siehe http://www.consultandpepper.com/ueber-uns/publikationen/23-publikationen/89-tr%C3%A4ume_verwirklichen_ziele_erreichen.html

[10] Siehe Malcolm Gladwell: David and Goliath: Underdogs, Misfits, and the Art of Battling Giants, Audible 2013

 

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